Interview im MOMAG

Innere Bilder erfahrbar machen

von Maria Martina Lang

ERINNERUNGSDESIGN. Eine Mostviertler Künstlerin widmet sich seit Jahren dem Andenken an liebgewonnene Mitmenschen. Sie zeichnet und malt Portraits von Szenen, die eine Kamera nicht festhalten kann und die so zu besonderen Erinnerungen werden. Das momag im Gespräch mit Kati Pregartner.

Freundlich lächelnd empfängt mich Kati an der Haustüre und bringt mich ins Obergeschoß ihres Mehrgenerationenhauses. Im Garten sind gerade Birnen reif geworden und sie bietet mir einige der herrlichen Früchte an, dazu einen guten Tee. Ihr Hauptwohnraum ist gemütlich eingerichtet, teils modern, teils urig. Jedes Möbelstück hat seine Geschichte, genauso wie all die Muscheln und Steine, die ein Sims im Vorzimmer zieren. Kati legt großen Wert auf Details, hat Sinn für Ästhetik und versteht es, Alltägliches so zu präsentieren, dass es zu etwas Besonderem wird. Außerdem kann sie zwischen den Zeilen lesen. Ich fühle mich im Gespräch von ihr sehr genau wahrgenommen, auf angenehme Art und Weise. Bald dreht sich unsere Unterhaltung nicht mehr nur um Berufliches, sondern durchaus persönliche Themen wie Verlust, Trauer und Freudenmomente. Die Künstlerin hat in ihrem Leben selbst schon einiges durchgemacht, liebe, nahestehende Menschen verloren und gelernt, mit ihrer künstlerischen Gabe Erinnerungen so aufzubereiten, dass sie für andere nachvollziehbar sind.

Bilder als Sprache der Erinnerung

Begonnen hat für die Autodidaktin alles aus eigener Betroffenheit. Als eine gute Freundin von ihr starb, gestaltete sie innerhalb eines Jahres ein ausführliches Erinnerungsbuch gemeinsam mit den Angehörigen, in dem verschiedene Nachrufe, aber auch Tagebucheinträge der Verstorbenen Platz fanden. Auf diese Weise entstand ein umfassendes Bild von ihr. Immer wieder nimmt Kati dieses Buch gern zur Hand, um sich an diese Freundin zu erinnern.

Es heißt ja in einem Sprichwort: „Zeit heilt alle Wunden.“ „So ist das leider nicht“, meint die Künstlerin. „Nur Zeit allein hilft nicht. Man muss sich mit der Trauer aktiv konfrontieren und sie gestalten. Kunst kann dabei sehr hilfreich sein, die unterschiedlichen Erfahrungen und Gefühle zu integrieren.“

Manchen Trauernden hilft es, dabei Begleitung zu haben. Kati hat zur Bewältigung ihrer Trauer eine Ausbildung zur Sterbe- und Trauerbegleiterin absolviert und sich so mit diesem Thema ausführlich beschäftigt. Sie möchte nun ihre Erfahrungen und Erkenntnisse auch anderen Menschen anbieten. Ihre Bilder können zu Wegbegleitern werden, durch die Verstorbene positiv in Erinnerung bleiben, mit einem wohlwollenden, wertschätzenden Blick. „Ich sehe mich als Begleiterin auf dem Weg, die passende Form für die jeweilige Person zu finden. Manche meiner Kunden wissen schon vorab, wie ihr Erinnerungsporträt aussehen soll, bei anderen helfen ausführliche Gespräche, wie die Auftraggeber die darzustellenden Personen wahrnehmen und in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Jeder Mensch trauert auf andere Weise.“

Vielfältige Ausdrucksformen

Mittlerweile hat Kati in ihrem Atelier für Erinnerungsdesign ein breites Angebot an Gegenständen, die mit ihren hanggefertigten Porträts personalisiert werden können, von Kerzen und Schmuckstücken, zu Feuerzeugen und Zündholzschachteln bis hin zu Grabsteinplaketten und Kondolenzbüchern. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind vielfältig. Nach der ersten Kontaktaufnahme per Mail, Whatsapp oder Telefon bekommt Kati verschiedene Fotos zugeschickt, überlegt sich eine Motivkomposition und beschließt dann gemeinsam mit den Kunden eine geeignete Darstellungsweise. Die fertige Zeichnung wird dann digitalisiert und mit Hilfe verschiedener Drucktechniken auf die gewünschten Gegenstände aufgebracht.

Facetten des Lebens feiern

Doch nicht nur Trauer ist der Inhalt von Katis Werken. Immer öfter kommen auch Leute zu ihr, die zu freudigen Anlässen wie Geburt oder Hochzeit ein Bild von ihr gezeichnet haben möchten. Manches lässt sich auch kombinieren. So kann man auf ein Familienporträt zum Beispiel die verstorbene Oma hinzufügen und sie auf diese Weise an einem Moment teilhaben lassen, den sie nicht mehr erleben konnte. Eltern eines totgeborenen Kindes können dieses bildlich noch einmal im Arm halten. Beziehungen und emotionale Wirklichkeiten werden so optisch erfahrbar gemacht. Die Zeichnungen können zum Teil ähnlich wie Familienaufstellungen, fast therapeutisch und heilsam wirken. Manche Menschen wünschen sich ein Bild, etwa zur Pensionierung, das wie ein visueller Lebenslauf dargestellt ist, mit allen wichtigen Ereignissen im Leben der Person. So entstehen ganze Panoptika, die deutlich zeigen, was diese Person ausgemacht hat.

Zitat 1: Wir leben zweimal. Das erste Mal in der Wirklichkeit, das zweite Mal in der Erinnerung.
Zitat 2: „Ich möchte Erinnerungen mitgestalten helfen. Durch meine Zeichnungen können sich Menschen mit ihren Lieben auf nicht alltägliche Weise emotional verorten.“